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‚Alles Glück eines Lebens‘ ist ein ehrliches, trauriges und brillant geschriebenes Buch: Rezension

Beitragsbild "Alles Glück eines Lebens" von Lauren Grodstein

Sohn Jacob ist Karen Neulanders Ein und Alles. Den sechsjährigen Jungen muss sie alleine großziehen, nachdem sein Vater weder bereit für eine gemeinsame Zukunft mit Karen, noch für ein Baby war. Als Karen erfährt, dass sie Krebs hat und ihre Chancen nicht wirklich gut stehen, beginnt sie, ihr bisheriges Leben zu reflektieren, denkt darüber nach, wie sie dort landete, wo sie heute steht und bereitet alles vor, damit Jacob eine gute Zukunft haben wird – inklusive einer Art Tagebuch, in dem sie alles Relevante festhält. Womit sie nicht gerechnet hat: Dass Jacob plötzlich Kontakt zu seinem Vater will. Wie geht Karen damit um, wieder den Mann in ihrem Leben zu haben, der sie so verletzt hat?

Wie ich auf Alles Glück eines Lebens aufmerksam wurde

Durch meine eigeninitiierte Aktion #BookstagramBestimmtMeinLesen wurde ich im Dezember im Thalia meines Vertrauens auf Alles Glück eines Lebens aufmerksam. Beim Durchstöbern der Regale schoss mir sofort das wunderschöne Cover ins Auge. Den Titel fand ich da noch eher nichtssagend, allenfalls kitschig. Restlos überzeugen konnte mich daraufhin der Klappentext. Ich stellte mir diese Dynamik „krebskranke Frau trifft auf Wunsch ihres Sohnes wieder auf den Mann, der ihr das Herz gebrochen hat, obwohl er doch ‚der Eine‘ hätte sein sollten“ unsagbar anziehend. Meine Abonnenten sahen das wohl ähnlich, denn in einer direkten Umfrage stimmten sie für den Kauf des Buches.

Tolle Geschichte. Toller Stil.

Lauren Grodstein, die Autorin des Romans, lehrt – so steht es zumindest in der kleinen Autorenvita – einen Kurs in kreativem Schreiben. Nach dem lesen möchte ich fragen: Ist noch ein Platz frei? 😀 Vom ersten Satz an gelang es Grodstein, mich an ihr Werk zu fesseln. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Schreibstil der Autorin zwar flüssig zu lesen, nichtsdestotrotz eher ungewöhnlich ist. Erstens: Das Buch ist aus Karens Sicht geschrieben, der Ich-Perspektive. Sie spricht den Leser mit „Du“ an. Wir als Leser übernehmen in dieser Illusion die Rolle von Jacob, Karens Sohn. Für Jacob schreibt Karen all ihre Gedanken auf, beginnend von dem Augenblick an, als er ihr offenbart, dass er gerne seinen Vater kennenlernen möchte.

Dieses Manuskript schreibt Karen, damit ihr Sohn lange nach ihrem Tod versteht, was damals geschah. Der Schreibstil ermöglicht es dem Leser, so nah wie irgend möglich an Karens Gedanken und Emotionen, ihrer Trauer, ihrer Wut, ihrem Unverständnis teilzuhaben und sie dadurch besser zu verstehen. Oben merkte ich an, wie mich der Titel anfangs abstieß, weil ich ihn als zu melodramatisch empfand. Der Inhalt des Buches ist das mit keiner Silbe. Niemals schreibt Lauren Grodstein überemotional oder gar niveaulos und ‚billig‘. Selten durfte ich eine derart runde Geschichte lesen. Unsagbar schön und herzzerreißend-ergreifend. Chapeau! Besonders reizvoll: Man weiß nicht, wie es ausgeht. Endet es mit dem Tod der Protagonistin, wie es für Big-C-Romane gewöhnlich ist? Ja und nein. Um herauszufinden, was ich damit meine, müsst ihr wohl oder übel das Buch lesen.

Mein Kritikpunkt

Wirklich gestört hat dieser Punkt: Karens Versessenheit darauf, zu verhindern, dass ihr Sohn Kontakt zu seinem Vater Dave hat und eine gute Beziehung zu ihm aufbaut. Ich kann durchaus nachvollziehen, wie es Karen dabei geht, was eventuell ihre Beweggründe dafür sind, Angst zu haben. Für sie muss es sich anfühlen, als wolle Jacob sie ersetzen. Gleichzeitig möchte Karen Dave und seiner neuen Frau nicht gönnen, dass sie nach ihrem Tod eine glückliche Familie werden könnten. Bis zu einem gewissen Punkt fand ich Karens Aversionen verständlich und angebracht und habe sie erduldet. Irgendwann wurde mir das zu viel und ich habe nur noch mit den Augen gerollt. Ansonsten habe ich nichts an dem Buch auszusetzen.

Fazit

Ehrlich, traurig, brillant. Diese drei Adjektive beschreiben Alles Glück eines Lebens von Lauren Grodstein. Ich konnte diesen wunderschönen Roman bedauerlicherweise nicht in einem Stück durchlesen; ich habe glaube ich am Ende zwei bis zweieinhalb Wochen gebraucht. Ab und an brauchte ich einfach Abstand von dieser seelenreichen Mutter-Sohn-Geschichte. Es wird nichts beschönigt, sondern alles so erzählt, wie es wirklich ist. Dadurch wird Alles Glück eines Lebens lebensecht – in meinen Augen das größte Kompliment, das man einem Roman machen kann. Meinen angemerkten Kritikpunkt muss ich dennoch in die Bewertung mit einfließen lassen, weil es mich einfach Wahnsinnig gemacht hat! 😀

4.5 / 5 Sternen

P.S.: Ernst geht es mit meinem Beitrag zur Blogtour #LesenGegenRechts weiter.

Zur Sache

Titel: Alles Glück eines Lebens (OT: Our Short History)

Autorin: Lauren Grodstein (ins Deutsche übertragen von Marie Rahn)

Verlag: Aufbau Taschenbuch

Erschienen: 14. September 2018

Seiten: 400

Preis: EUR 12,99

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